Sport und Freizeit
Sport und Freizeit sind im Leben der meisten Kinder und Jugendlichen in Deutschland sehr wichtig. Die Aktivitäten basieren in aller Regel auf Freiwilligkeit und konzentrieren sich auf Zeiten und Räume außerhalb von Schule und Ausbildung. Die vielfältigen Sport- und Freizeitaktivitäten von Mädchen und Jungen können in sehr unterschiedlichem Rahmen stattfinden. Es gibt Angebote von gemeinnützigen Organisationen, wie beispielsweise Sportvereinen, Jugendverbänden, Musikschulen, Kirchengemeinden oder Reiseveranstaltern, es gibt aber auch vielfältige Möglichkeiten, die von kommerziellen Anbietern, Einzelpersonen oder unabhängigen Gruppen gestaltet werden. Für alle ist der Schutz der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen eine wichtige Aufgabe.
Die vielfältigen Angebote und Möglichkeiten, die abhängig von Interessen und Talenten gewählt werden und die das Leben und Erleben bereichern, sind verbunden mit Persönlichkeitsentwicklung, Gemeinschaftserlebnissen, Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Erfolg, geistigem und spirituellem Wachstum, Erleben von Freundschaft und Vertrauen. Oft sind sie geprägt von Möglichkeiten von Mitwirkung und Mitgestaltung, von demokratischen und emanzipatorischen Prinzipien und basieren im besten Fall auf Achtung und Umsetzung der Kinderrechte.
Zwei Aufgaben: Betroffenen Hilfe bieten und kein Tatort werden
Sport- und Freizeitaktivitäten bergen mit Blick auf sexuellen Missbrauch zum einen die besondere Chance, von sexueller Gewalt betroffenen Mädchen und Jungen Hilfe zu ermöglichen. Zum anderen stehen sie vor der Herausforderung, Kinder und Jugendliche davor zu schützen, in diesem Kontext selbst sexueller Gewalt zu begegnen. Beide Aspekte müssen den Aktiven bewusst sein, um den bestmöglichen Schutz von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten.
An Sport- und Freizeitaktivitäten nehmen Kinder und Jugendliche in unterschiedlichsten Lebenslagen teil. Manche Mädchen und Jungen, die persönliche, schulische oder familiäre Probleme belasten, suchen hier nicht zuletzt auch Ablenkung und stärkende Erfahrungen, die ihnen helfen können, ihre Probleme zu bewältigen oder besser zu ertragen. Die Besonderheiten des Sport- und Freizeitbereichs wie z. B. die Freiwilligkeit, Möglichkeiten für vertrauensvolle Beziehungen zu Gleichaltrigen, älteren Jugendlichen oder Erwachsenen, Geltung von weniger bzw. anderen Regeln, gegebenenfalls weniger Aufsicht und mehr Freiheit, können zudem Kindern und Jugendlichen einen Rahmen bieten, sich anzuvertrauen, Trost und Unterstützung zu finden. Mädchen und Jungen mit der Erfahrung des sexuellen Missbrauchs sehen hier möglicherweise die (einzige) Chance, Ansprechpersonen zu finden. Die große Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass diese Ansprechpersonen entsprechend geschult und informiert sind, damit sie wissen, wie und wo Hilfe und Begleitung betroffener Mädchen und Jungen ermöglicht wird.
Die genannten Besonderheiten bieten Chancen zur Hilfe, stellen aber zugleich auch spezifische Gefahren dar, dass Mädchen und Jungen hier sexuelle Gewalt erfahren: Zum Beispiel können vertrauensvolle Beziehungen, aber auch die Bewunderung der Kinder und Jugendlichen für Trainer, Betreuerinnen oder Gruppenleiter für sexuellen Missbrauch ausgenutzt werden. Gruppendynamiken können dazu führen, dass Kinder und Jugendliche ihre Grenzen überschreiten (lassen), um dazuzugehören. Ein geringer Altersabstand zu Leitungspersonen kann zu Unklarheiten in den Rollen führen, Grenzen zwischen Betreuern und Betreuten verwischen und das tatsächlich vorhandene Machtgefälle kaschieren. Die große Aufgabe besteht darin, für den Kontext passende präventive Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, z. B. in der Auswahl von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, sowie einen konkreten Handlungsplan für das Vorgehen bei Verdacht zu erstellen und allen bekannt zu machen.
Passgenaue Schutzkonzepte: Nur individuelle Lösungen bieten bestmöglichen Schutz
Von großer Bedeutung ist, dass es kein für alle Bereiche und Angebote übertragbares Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt geben kann. Vielmehr gilt es, den jeweiligen Besonderheiten wie beispielsweise Angebotscharakter, Organisationsstruktur oder Zielgruppe Rechnung zu tragen und ein passgenaues Schutzkonzept zu entwickeln und umzusetzen. Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt für Einrichtungen, Orte, Gruppen oder Angebote, die Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit besuchen, gestalten und wahrnehmen, müssen genauso vielfältig sein, wie die Aktivitäten selbst.
So ist die Frage nach den Verantwortlichkeiten in den jeweiligen Kontexten sehr unterschiedlich zu beantworten. Überwiegen hauptamtliche Mitarbeitende und gibt es eine professionelle Leitung? Dann liegt es an diesen, ggf. sich in Absprache mit etwaigen Träger- und Verbandsstrukturen für die Entwicklung und Implementierung passgenauer Schutzkonzepte einzusetzen. Oder handelt es sich um rein ehrenamtlich organisierte Vereine und ähnliche Strukturen? Dann sind sie darauf angewiesen, dass auf Verbandsebene diese Verantwortung übernommen und entsprechende Unterstützung angeboten wird. Es ist immer hilfreich, wenn Aktive, Eltern, Kinder und Jugendliche dies entsprechend einfordern und daran mitwirken, Orte zu gestalten, an denen sexualisierter Gewalt präventiv begegnet wird.
Praxiserfahrungen zeigen, dass Angebote, Vereine und Projekte vor Ort sehr davon profitieren, wenn sie von Verbands- und Trägerstrukturen Materialien und Vorgaben wie Handlungsleitfäden, Richtlinien und Infomaterialien erhalten, um in diesem Rahmen und auf diesem Hintergrund ihre Schutzkonzepte effektiv zu entwickeln.
Für Angebote, die nur durch das große Engagement von Ehrenamtlichen bestehen können, gibt es für den Kinderschutz eine besondere Herausforderung: Dadurch, dass der Zugang zu Gruppenleitungs-, Betreuungs- und Trainingsaufgaben oft niedrigschwellig und sehr offen gestaltet ist, können Menschen gewonnen werden, die bei Kindern und Jugendlichen durch ihre Persönlichkeit unabhängig von formalen Qualifikationen gut ankommen und im Zusammensein mit ihnen viel Gutes bewirken können. Zugleich birgt diese Situation aber auch die Gefahr, dass auch solche Menschen zu Mädchen und Jungen Zugang finden können, die nach Gelegenheiten suchen, sexuell übergriffig zu sein. Präventive Ansätze müssen eine gangbare Lösung finden, um diesen den Zugang zu erschweren und Schutz zu bieten, ohne für das wichtige Engagement zu hohe Hürden zu bauen.
Anregungen
Deutsche Sportjugend – Prävention sexualisierter Gewalt im Sport
Bayerischer Jugendring – Material zur Prävention sexueller Gewalt
Dokumentation des Fachtages zum Thema Jugendarbeit und sexualisierte Peergewalt „Jetzt hör endlich auf!“ [PDF extern, 442 KB]